Wir sitzen auf Angelas Dachterrasse in der Kölner Innenstadt. Ein kleines Paradies, das vor Pflanzen bald überquillt. Die Vögel zwitschern fröhlich im Chor. Ein balinesischer Sonnenschirm flattert zärtlich im Wind. Angela ist eine Bekannte und als ich mich auf den Weg zu ihr machte, dachte ich, der Krebs sei Geschichte.
Im Oktober 2015 hat sie die Diagnose Brustkrebs bekommen. Heute, drei Chemotherapien und eine Bestrahlung später, hat sie vier Tage nach ihrem 47. Geburtstag eine weitere Biopsie unterm Arm gehabt. Als wir uns treffen, erzählt sie mir, dass sie nächste Woche zum sogenannten Staging muss. Dabei wird geprüft, ob sich mittlerweile Fernmetastasen gebildet haben. Je nachdem wird das Stadium des Krebses eingeschätzt. Bei Brustkrebs geht das von null bis vier. Im Moment ist sie im dritten Stadium.
Sollten Fernmetastasen entdeckt werden, ist sie bei vier und dann wird die Krankheit nicht mehr als kurativ, sondern als palliativ beziehungsweise als chronische Erkrankung behandelt.
Der Begriff kurativ bezeichnet therapeutische Maßnahmen, die auf die Heilung einer Erkrankung ausgerichtet sind. Als palliative Therapie bezeichnet man eine medizinische Behandlung, die nicht auf die Heilung einer Erkrankung abzielt, sondern darauf, die Symptome zu lindern oder sonstige nachteilige Folgen zu reduzieren, um die Lebensqualität zu verbessern.
Angelas Krebs ist „superagressiv“, das weiß sie mittlerweile.
Heute hat sie das Gefühl, ihre Ärzte wissen auch nicht mehr genau, wo sie ansetzen sollen.
„Jetzt gilt es, vernünftig damit zu leben.“
Schon Anfang 2015 hatte sie das erste Mal was gefühlt in der Brust. Das unheimliche Etwas tat sogar weh. Ihr damaliger Gynäkologe hat die Veränderung erst einmal auf Stress geschoben. Doch anstatt besser, wurde es schlimmer:
„Es fühlte sich an wie ein Sack Murmeln in der Brust.“
Angela wurde dann auf Entzündung behandelt. Als nichts wirkte, stellte sich heraus:
Die vermeintliche Entzündung war ein elf Zentimeter großer Tumor.
Was ihr erster Gedanke war:
„Um Gottes Willen, dann verliere ich ja meine Haare! Über das Sterben nachzudenken, das kommt erst später.“
Tatsächlich hat sie dann auch mehr geheult, als sie ihre Haarpracht verloren hat, als bei der Diagnose selbst. Doch auch wenn sie nicht „ständig über den Scheiß Krebs“ reden will: Von dem Thema dass sie und ihr Mann Stefan zusammen die Rente verbringen, hat sie sich schon verabschiedet.
Bei ihrer dritten Chemotherapie war Angela kurz vorm Aufgeben, sie dachte, sie schaffe es dieses Mal nicht, so schwach war sie zwischenzeitlich. Und jetzt? Jetzt passt es ihr gerade schlichtweg nicht. Angela hat vor Kurzem einen neuen Job angefangen, der ihr „tierisch gut“ gefällt. Den würde sie gerne behalten. Die spürbare Veränderung unterm Arm kommt ihr völlig ungelegen.
Und sie ist sich nicht sicher, ob sie eine nächste Chemo durchsteht, die Abstände sind ihr einfach zu kurz. Wenn sie Fernmetastasen hat, liegt die Lebenserwartung bei ein bis zwei Jahren.
Sie spricht mit ihrem Partner über den Tod. Gleichzeitig macht ihr ihr Leben trotz der aggressiven Erkrankung viel zu sehr Spaß, um zu sterben. Auch dass sie bei ihrer ersten Chemotherapie von jetzt auf gleich in die Wechseljahre geschmissen wurde, hat sie verpackt. Angela hat eine Bucketlist, denkt sich mittlerweile allerdings:
„Wenn es nicht klappt, dann klappt es halt nicht“.
Wobei die Gedanken ans Lebensende immer wieder vorbei gehen. Die „warum ich?“-Frage hat sie sich zu keinem Zeitpunkt gestellt.
Angela möchte noch viel von der Welt sehen, gerne nach Indien und nach Afrika. Und theoretisch gerne ein Haus, aber wie soll Stefan damit alleine klar kommen? Diese Überlegungen hindert das glückliche Paar am Umzug, genauso wie es sich keinen neuen Hund anschafft, nachdem der erste gestorben ist.
Ich will wissen, was Angela sich für die Zukunft wünscht.
Zehn Jahre fänd‘ ich gut. Länger wäre natürlich auch okay, aber zehn Jahre fänd‘ ich schon attraktiv.
Eine Woche später frage ich, was beim Staging herausgekommen ist: „Uff, nix Gutes. Ich habe eine Metastase in der Leber. Mist.“. Wie es ihr damit geht?
„Wir versuchen selbst hier gerade erst, das irgendwie einzuordnen. Das ist nicht leicht.“
Angela und ich sind beide unsicher mit dem Ende dieses Textes. Natürlich würden wir gerne mehr Hoffnung machen. Starker Tobak. Ob ihr noch was zum Abschluss einfällt? Ja: Dass Brustzentren immer eine psycho-onkologische Begleitung anbieten, auch für Angehörige. Und dass ihre Ärzte sehr gut und einfühlsam sind. Bei Triple Negativ Brustkrebs (TNBC) weiß grundsätzlich niemand genau, wo man ansetzen soll.
Und die ein bis zwei Jahre Lebenserwartung sind Statistik, es kann je nach persönlicher Situation mehr oder weniger sein.
Das ganze Interview gibts hier:
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