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„In den Kronen“ – keine bittere Pille, sondern ein zuckersüßer, ekstatischer Raveroman von Julian Schraven

Lisa Schulz 29/11/2022     gesammelt

Julian fotografiert von Sunnyi Löhmann im Juni 2022

Es war vor vier oder fünf Jahren, wir wissen es beide nicht mehr genau, da haben Julian und ich uns kennengelernt. Mit gemeinsamen Freunden waren wir im Odonien, mal wieder ein bisschen Raven in Köln. Wobei, viel getanzt haben wir nicht. Sondern uns Koteletts an die Backe gelabert. Das Grand Finale: „Lisa, hast du Bock ein Buch mit mir zusammen zu schreiben?“. Große Augen. „Worüber denn?!“. „Übers Feiern, unsere Erlebnisse, Drogen … all sowas“. 

Er hat es wirklich geschafft

Nun, warum daraus nichts geworden ist, können wir beide nicht rekonstruieren. Ich bin ein bisschen wehmütig, als ich im Sommer 2022 schließlich Julians Roman in den Händen halte. Das hätte wohl ziemlich geil werden können. Die Melancholie weilt nur kurz. Es überwiegt der Stolz. Ich klappe das Buch auf und sehe das Schwarzweißfoto von ihm. Boah. Gänsehaut. Er hat es wirklich geschafft. Der Kleene ganz groß. Ja, mir schwillt die Brust vor Stolz. Und gespannt bin ich. Auf das Buch über das Leben in einer Subkultur, der elektronischen Musikszene … zufälligerweise auch meine Szene. Es wird gut, da bin ich sicher. 

Auf zum „Anker Lichten“

Julian Schraven, geboren 1988, ist Musiker und DJ und legt seit 2014 vor Publikum auf. Er tingelt dabei nicht nur über Parties, sondern auch über Festivals. Das „Anker Lichten“ für 6.000 Feierwürtige mit dem traumhaft, erlebbar umschriebenen Floor „In den Kronen“ ist ein Festival, das es – leider – nicht gibt. Fiction, Baby. Julian hat sich die Szenerie ausgedacht. Dabei wirkt sie so täuschend echt und authentisch, dass man sofort dahin will. Ich zumindest. Und rein zufällig ist Gregor auch DJ und spielt sogar auf seinem Lieblingsfloor „In den Kronen“.

Keine Biografie aber viele Parallelen

Aus der Ich-Perspektive erzählt, gehe ich ihm ein weiteres Mal auf den Leim: Julian schreibt doch über sich selbst?! Diesem Irrtum erliege nicht nur ich. Nein, „ich“, in dem Fall Gregor, ist ein fiktiver Charakter, erklärt er mir, als ich ihm schreibe, dass ich unbedingt die Prinzessin kennenlernen will. Prinzessin van Mayer ist Gregors beste Freundin. Die beiden bereisen Portugal, surfen über Festivals und wohnen fast zusammen, ohne zusammen zu sein. Für mich ist diese Freundschaft wunderschön erzählt, ich werde glatt neidisch. Der Dritte im Bunde ist Ludger, bisschen verpeilt aber vor allem eins: liebenswert. Zusammen macht sich das Trio Infernale auf zum „Anker Lichten“. „Manchmal verstand ich die Prinzessin nicht beim ersten Mal, wenn sie etwas erzählte. Ich dachte dann meistens zwei Mal darüber nach und das half. Ich hatte Angst ich würde blöd wirken, wenn ich jedes Mal fragte, wenn ich etwas nicht verstand.“ 

In den Kronen, Seite 6

Ich mag Gregor ♡. Und Gregor mag Festivals. Aber auf das Programm abseits der Musik kann er verzichten: „Es gab für alles einen Workshop. Lachyoga, Acroyoga, Zikusyoga und Jonglageyoga, meditieren für Menschen, meditieren mit Tieren, achtsame Berührungen erlernen und ertragen, wer bin ich, wer kann ich sein, wo komme ich her, wo gehe ich hin. Wie backe ich ein Brot in der Wildnis, wie züchte ich Avocado in der Großstadt. Und das alles war toll. Aber das war alles nichts für mich. Ich hatte an anderen Sachen Spaß. Ich war zum Beispiel gut dafür zu haben, in einem Chill-out-Bereich zu sitzen und von einem alten Wählscheibentelefon zum anderen zu telefonieren.“

In den Kronen, Seite 18

Das eigene Zeit-Raum-Gefüge

Au ja, das habe ich auf dem Garbicz-Festival in Polen auch immer gerne gemacht. Wenn man ganz großes Glück hatte, klingelte es in der Nähe, wenn man übers Gelände flanierte. Dann hieß es: schnell sein! Denn alle wollten telefonieren. Ich habe herrliche Gespräche geführt mit mir bis heute wildfremden anderen Festivalbesuchern. Klar, man versuchte auch mal, sich zu treffen. Doch das war nie von Erfolg gekrönt. Denn aufs Festivals herrscht ein ganz eigenes Raum-Zeit-Gefüge … es kommt auch irgendwie immer was dazwischen, Pläne sind zum Verwerfen da und das macht gar nichts sondern muss so sein. Man bekommt viel geschenkt: vor allem gute Gespräche, schöne Begegnungen, skurrile Situationen die im „echten Leben“ so nie stattfinden würden. 

Spliff and Wash

Ebenfalls auf dem Garbiczfestival hatten Jan, Chris und ich mal die besten Nachbarn ever: drei liebenswerte Kifferdudes aus Stuttgart, die spontan aus einer Laune heraus die „Spliff and Wash“-Station ins Leben gerufen haben. Ahnungslose Passanten auf dem Weg zum Kantonfloor mit der größten Discokugel ever ever ever wurden mehr aber eher weniger charmant gefragt, ob sie eine Spliff & Wash-Behandlung wollten. Viele willigten ein und bekamen die Haare gewaschen, liegend zwischen zwei Stühlen, Füße auf einem Stuhl, Schultern aufm anderen, Kopf in der Luft. Während des Shampoonierprozesses durften (mussten??) sie am Joint ziehen. Es war königlich. Haben wir gelacht! Das ist Festival. Und Gregor, Prinzessin und Ludger sind sooo Festival. 

Julian schreibt so erlebbar, so nah, so dicht, so liebevoll

„In den Kronen“ ein Floor zum Verlieben. Ich dachte beim Titel ja ganz unromantisch, Bier verseucht an Kronkorken. Weit gefehlt: Es ist eine Hommage an die üppigen Baumkronen von Gregors Lieblingsfloor mit Baumhäusern, teils dreistöckig, Downtempomusik, ungefähr 1.000 Festivalmäusen Platz bietend, Hexenkesselatmosphäre (da krieg ich schon wieder Gänsehaut, denn ich weiß wovon hier die Rede ist). Julian schreibt so erlebbar, so nah, so dicht, so liebevoll, dass ich ständig Gänsehaut beim Lesen bekomme. Wow, das hat zuletzt Haruki Murakami mit „IQ 84“ geschafft. Ein tolles Gefühl. Zum Beispiel, wenn Gregor sich an den Portugalurlaub mit der Prinzessin erinnert:„In der letzten Nacht stellte sich schließlich heraus, dass der Boden aus Lava war (…). Nach nur wenigen Minuten musste der erste Krisenstab einberufen werden. „Aber wie komme ich jetzt an den Wein“? (…). Vielleicht, wenn wir robben.“ „Über Lava kann man nicht robben. Wir sitzen doch auf einem Felsen.“ „Mist.“ „Ja eben. Wenn wir robben könnten, hätte ich uns schon längst rüber gerobbt. ich bin doch nicht blöd.“ Die Prinzessin hob ihren Kopf wieder an, setzte sich gerade auf und rückte ihre Schultern nach hinten durch. „Okay, See me solving this Problem.“ Sie nahm ihr Kissen und schmiss es hinter den Tisch. Dann nahm sie mein Kissen und schmiss es hinter die Weinflasche, welche daraufhin auf ihr Kissen fiel. Mühsam aber erfolgreich konnte sie es mit ihren Füßen an unseren Felsen heranziehen und der Wein war unser. (…) Wenn das hier eine einsame Insel wäre, dann wäre ich gerne mit dir hier, da könnte nichts schiefgehen“. Ihre Stimme war tiefer als sonst. Ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Sie hatte recht. Wir waren ein gutes Team.

In den Kronen, Seite 39

Lange ist es her, dass mich ein Buch so gefesselt hat

Julian erzählt diese Freundschaft voller Zärtlichkeit, auch wenn es mal Streit gibt. So, wie das Leben eben spielt. Nur sind seine Worte und erzählten Begegnungen voller Bedacht und wahnsinnig gefühlvoll. Einfach schön. Lange ist es her, dass mich ein Buch so gefesselt hat. Dass ich so lange, teils mehr als eine Stunde am Stück, gebannt und konzentriert gelesen habe. „In den Kronen“ catcht, ohne zu krachen. „In den Kronen“ ist bei allem Bass angenehm ruhig, stellenweise sogar beruhigend. Liebevoll. Einzigartig. Organic. Es gefällt mir so gut. Nicht nur, weil ich Julian kenne. Die Sprache ist einfach gehalten und Gregor ist einer von uns, er redet und denkt wie wir, nimmt uns mit in seinen Mikrokosmos und führt uns an seiner Hand durch sein Universum. Wir können ihm und seinen Gedankengängen auf Schritt und Tritt folgen und haben das Gefühl, hautnah dabei zu sein. Nein, mittendrin statt nur dabei. „In den Kronen“ zieht rein. „In den Kronen“ flowt. Julian wird Mühe gehabt haben, seine Finger schnell genug über die Tastatur fliegen zu lassen. Es ist aus ihm herausgeströmt, nehme ich an.

In einem Roman, einem Rave Movie über das Leben in einer elektronischen Subkultur geht es natürlich auch um Drogen. So lernt Gregor zu Beginn des Festivals einen Dealer kennen. „Ich holte meine Zahnbürste aus dem Mund, spuckte aber nicht aus. „Ja, ich such schon was“. „Was suchst du denn?“ „Was hast du denn?“ Ein Tropfen Sabber-Zahnpasta-Gemisch begann mir aus dem Mund zu laufen. „Ich habe so ziemlich alles, was du suchst. Ich habe Gras, aber nur Haze, Speed, Teile, Emma und Kita. Kokain und LSD kommen morgen. Speed Zehner, Emma ein halbes zwanzig, Ding eins für zehn drei für zwanzig. Meta das Gramm vierzig. Das waren faire Preise. „Dann hätte ich gerne ein Starterpaket für hundert Euro.“ Das erschien mir ein vernünftiges Budget. Ich rechnete für drei Leute. Für das ganze Wochenende.“

In den Kronen, Seite 26

Und ein bisschen Eifersucht kommt schließlich auch noch ins Spiel, nachdem Gregor beim Anker Lichten seine Verflossene Anna wieder trifft und der Prinzessin davon erzählt:„Wir hatten nur etwas Wein und ein, zwei Tüten. Ein entspannter Abend.“ „Ach so, okay.“ „Wieso fragst du?“ „Nur so“. Sie machte eine kurze Pause. „Ich dachte, vielleicht muss ich da was wissen, oder so“, rief sie mit einigem Zögern. „Was denn?“ Ich merkte, wie mir das Speed noch immer half, mich trotzdem es Lärms von mindestens hundert Dezibel auf die Worte der Prinzessin zu konzentrieren. „Also wenn ihr zum Beispiel was miteinander gehabt hättet damals, oder so. Kann ja sein. Dann hätte ich das einfach wissen wollen, damit ich nicht blöd daneben stehe, falls ihr hier wieder rummachen wollt, oder so.“ (…) Sie war verunsichert und das hatte ich bisher selten erlebt. Ich bemerkte das nicht anhand der Fragen, die sie stellte oder den Worten, die wir wechselten, sondern vor allem daran, wie sie schaute und in welchem Ton sie mit mir redete.“

In den Kronen, Seite 52

Real und greifbar und smooth

Die Zwei, Gregor und die Prinzessin, wachsen mir so schnell ans Herz. Was ich für die beiden empfinde, geht über Sympathie hinaus. Ich wäre gerne die Vierte im Bunde (don’t forget Ludger). Mit ihnen befreundet. Ja, das wäre schön. Deshalb habe ich Julian ja auch gefragt, ob ich die Prinzessin mal kennenlernen darf. Und habe so erfahren: Nix Autobiografie, nada, niente. Genau hierin liegt eine wahre Kunst: Julians Erstling ist dermaßen authentisch, so echt, ja genau: real und greifbar und smooth, dass der Raveroman anmutet wie eine Biografie, weil aus dem Leben gegriffen. Ein kleiner Geniestreich. Und das sage ich nicht, weil ich Julian kenne. Zugegebenermaßen habe ich kein Buch mit vergleichbarer Thematik gelesen und weiß auch nicht, wie sich die direkte Konkurrenz liest. Möchte ich auch nicht, „In den Kronen“ hat alle Bedürfnisse befriedigt. Danke, Julian. 

„In den Kronen“ ist im Juni 2022 bei Edition Subkultur erschienen, umfasst 167 Seiten und kostet 13,50 Euro, zu bestellen unter Anderem hier.

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