Dank Facebook weiß ich seit heute morgen, dass der 7. Oktober der Tag des Lächelns ist. Anders als etwa der Tag der Jogginghose oder der des Döners ist mir der Tag des Lächelns tatsächlich einen spontanen Beitrag wert. Denn Lächeln ist wirklich wichtig! Wichtiger als jede Jogginghose, obwohl ich 90 Prozent meiner quality time in selbiger verbringe. Und wichtiger als Döner sowieso.
Nun könnte ich für diesen Beitrag (wie sonst auch immer) einen riesen Aufriss machen. Mich in ausufernde Recherchen stürzen. Lesen, was andere heute zu diesem Tag so schreiben. Studien raussuchen, die belegen, wie wichtig Lächeln für die Gesundheit ist. Beiträge zitieren, die erklären wie man mit Lächeln sein Hirn überlistet und dank gezieltem Minenspiel seine Stimmung beeinflussen kann.
Ich habe mich dagegen entschieden, deshalb heißt dieser Text auch „Denkanstoß zum Tag des Lächelns“. Um bei jemandem etwas anzustoßen, braucht es ja keine akribisch aufbereitete Abhandlung. Nee, das geht auch wunderbar mit der InYourFace-Methode. Einfach mal eben salopp die Titten auf die Theke knallen. Von mir aus auch Butter bei die Fische geben. Und nachdem ich mit lisagoesinternet ja irgendwie doch ganz schön viele (ehrlich gesagt schwindelerregend viele) Menschen erreiche (danke dafür!) nutze ich den Tag des Lächelns für einen kleinen Appell:
Ey Leute, lacht doch mal!
Fertig.
Haha, Scherz. Tatsächlich ist das letzten Endes meine Kernaussage. Aber ich weiß natürlich auch, dass das mit dem Lächeln nicht immer so einfach ist. Ich lächle mittlerweile ganz schön viel. Das war nicht immer so, im Gegenteil: In meiner Pubertät wurde ich mehrmals von wildfremden Menschen angesprochen: „Lach doch mal!“, „guck doch nicht so traurig“, „Lächeln nicht vergessen“.
Nun weiß ich nicht genau, ob ich es anatomischen oder psychischen Veränderungen zu verdanken habe, dass mir solche Sätze mittlerweile erspart bleiben. Oder ob man vor ner 32-Jährigen einfach mehr Respekt hat, als vor einer pummeligen 14-Jährigen mit Pickeln und Zahnspange.
Und es ist natürlich auch nicht so, dass ich mittlerweile dauergrinsend durch’s Leben gehe. Ganz im Gegenteil. Ich bin oft sehr traurig, verzweifelt, nachdenklich und mit den Tränen, die ich in meinem Leben schon geweint habe, könnte man vielleicht ein ganzes Schwimmbecken füllen. Ich hatte schon schlimme depressive Phasen und schaffe es manchmal, einen ganzen Tag lang keinem Menschen in die Augen zu gucken. Weil ich einfach keinen Bock habe und lieber ganz für mich, in meine Gedanken versunken bleibe.
Deshalb hüte ich mich davor, hier zu postulieren: „Wenn man sich ermahnt zu lächeln, schafft man das auch, egal wie es einem gerade geht“. Auch wenn da bestimmt was dran ist, kann ich nachvollziehen, dass das mit dem Hochziehen der Mundwinkel manchmal einfach nicht funktioniert, zum Beispiel weil man gerade wirklich andere Sorgen hat und einem so überhaupt gar nicht nach Grinsen zumute ist.
Ich möchte euch aber mit auf den Weg geben, dass ein Lächeln (egal ob das eigene, oder ein fremdes) gerade in einem dunklen Tränental ein Lichtblick sein kann, der Wunder wirkt. Und dass wir doch vielleicht alle wenigstens versuchen könnten, ein bisschen öfter zu lächeln.
Nun wäre es natürlich am allerschönsten, wenn das Lächeln nicht künstlich ist. Auf keinen Fall möchte ich jemanden zu einem festgetackerten Grinsen wie dem von Eiskunstläufern motivieren, Gott bewahre! Sondern ich möchte euerm Denken einen kleinen Schubser in Richtung der Kollegen Bewusstsein und Aufmerksamkeit geben.
Sich bewusst zu machen, wie viel ein Lächeln – das niemanden von uns etwas kostet (!!) – einem anderen Menschen bedeuten, was es leisten kann, ist mehr als die halbe Miete.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht so was von auf! Was hat man zu verlieren, wenn man jemanden anlächelt?! Ich meine jetzt nicht in Flirtsituationen. Wenn ich von einem potentiellen Love Interest angelächelt werde, guck ich eher weg. Weil schüchtern und überfordert.
Was ich meine, sind Situationen des täglichen Miteinanders. Warum nicht mal die Supermarktkassiererin anlächeln, statt den Bezahlvorgang nach Möglichkeit ohne Blickkontakt abzuwickeln? Passiert ihr bestimmt nicht allzu oft und richtet mit Sicherheit keinen Schaden an, im Gegenteil. Ich mache das so gerne und muss mich nicht mal dazu zwingen, sondern es kommt mittlerweile automatisch, wohl weil konditioniert: Verkäuferinnen, Arzthelferinnen, ja sogar KVB-Kontrolleure anlächeln. Fast alle Lächeln zurück. Das fühlt sich doch schön an. Auch wenn es oft nur ein ganz kurzer Moment ist,
eine Millisekunde in der man was wohlig Warmes spürt.
Nun bestätigen natürlich auch hier Ausnahmen die Regel: Nach meiner Erfahrung lächeln auf (m)ein Lächeln circa zwei Prozent nicht zurück. Und die fallen mir dann schon sehr auf. Erst diese Woche hatte ich so eine Begegnung. Ich war mit meiner Omi in einer der angesagtesten Eisdielen Berlins, betrieben von hypersozialen, meganetten Weltverbesserern.
Und dann so was: Während wir in der Schlange stehen, fällt es mir auf: Der Eiskugelverkäufer lächelt konsequent gar nicht. Niemals nie. Nicht bei der Begrüßung von Kunde eins, nicht beim zweiten Kunden, beim dritten auch nicht. Und zur Verabschiedung erst recht nicht. Nicht mal, wenn jemand einen auflockernden, witzigen Spruch reißt: „Hach, ist die Figur erst ruiniert – ich nehm noch ne dritte Kugel!“. Ich finde das unfassbar und habe das Ziel:
„Ha! Wäre doch gelacht! Dem entlocke ich ein Lächeln!“.
Wir sind endlich an der Reihe. Ein geflötetes „Hallooooo“ und mein strahlendstes Lächeln kriegt Herr Eiskugelverkäufer. Nichts! Er zuckt nicht mit der Wimper und mit dem Mundwinkel schon mal gar nicht. Ich bin gescheitert. Und hoffe dass der nicht immer so resistent und muffelig ist, sondern einen richtig schlechten Tag hatte.
Dieses Erlebnis hat mich beschäftigt. Aber es hat mich natürlich nicht entmutigt. Ich lächle weiter, wenn mir danach ist. Und das bringt mich zu der zweiten Art von Situationen. Denen, die nicht per se, wie eine Dienstleistungssituation, eine soziale Interaktion sind. Sondern die erst durch ein verbindendes Lächeln zu einem Miteinander werden.
Ganz besonders häufig erlebe ich diese Verbundenheit mit Fremden in Momenten, die mir oder meinem Gegenüber peinlich sind. Ich bin schon sehr oft beim Anfahren einer Straßenbahn fast hingeflogen und hab mich ein bisschen geschämt und wohl hauptsächlich aus Verzweiflung kurz über mich selbst gelacht. Und jedes Mal jemanden gesehen, der mich beobachtet hat und in dem Moment, wo ich über mich lache weiß: „Ah, ich darf auch“.
Und dann lachen wir ganz kurz zusammen. Solche Momente sind doch einfach nur schön.
Genau wie wenn jemandem im Bus sein Koffer umkippt und auf meine Füße fällt. Der Kofferumkipper entschuldigt sich übereifrig weil beschämt. Und wenn ich lächle und sage: „Ich lebe noch, kein Problem“, dann lächelt er zurück und wir schaffen einen Moment der Nähe, in dem wir uns in die Augen schauen und noch mal kurz gleichzeitig lächeln.
Es gibt unzählige solcher Momente. Auch solche, in denen Menschen gemeinsam lachen, weil sie Spökes machen, und man lacht einfach im Vorbeilaufen kurz mit, weil man’s mitgekriegt hat und sich freut, dass zwei miteinander lachen. Quasi: Wenn zwei sich anlachen, freut sich der Dritte. Und der Erste und Zweite sowieso.
Als ich den Entschluss für diesen Beitrag gefasst habe, war ich auf dem Weg zum Plasmaspenden und bin ein kurzes Stück den Habsburger Ring entlang gelaufen. Da haben zwei Männer gerade ne Baustelle abgebaut. Der eine stand im LKW und hat eingeräumt, was der andere ihm von der Straße aus anreichte. Mann im LKW steht mit dem Rücken zum Geschehen. Kollege auf der Straße schmeißt ihm spontan eine Pilone an den Hintern. Die beiden lachen sich kaputt und ich lache mit. Unsere Blicke treffen sich für den Hauch einer Sekunde und da ist er wieder:
dieser ganz kurze, superschöne, intensive, weil verbindende Moment.
Keine hundert Meter weiter beliefern zwei Kerle ein Restaurant mit Bier. Der eine zieht den Hubwagen, der andere springt spontan drauf. Beide lachen und ich zeige, dass ich ihren Quatsch und den Spaß daran wahrgenommen habe, mich mit ihnen freue und das auch witzig finde. Ich lächle und sie strahlen zurück.
Es gibt so viele Situationen, die mir ein Lächeln entlocken. Und die finde ich eher selten in meinem Smartphone. Sondern im echten Leben. Weil ich aufmerksam bin.
Anmerkung: „Aufmerksamkeit“ war neben „Bewusstsein“ Kollege Nummer 2, zu denen ich euch schubsen wollte.
Statt die ganze Zeit nur zu daddeln, sollten wir mal mehr die Menschen um uns herum wahrnehmen, uns umsehen, die Lauscher spitzen. Wenn man offen dafür ist, merkt man schnell: Das Leben ist voll von Gründen zum Lächeln. Und jeder freut sich doch, wenn er angelächelt wird, oder nicht?
Manchmal kann einem ein Lächeln von einem Fremden doch wirklich kurz gute Laune bereiten, egal wie schlecht man gerade eigentlich drauf ist. Ein Lächeln von einem Fremden kann mich manchmal sogar beruhigen und mir das Gefühl geben:
„Du bist nicht alleine“, „ich nehme dich wahr“.
Dieses Gefühl möchte ich umgekehrt auch hin und wieder in meinen Mitmenschen auslösen.
Es geht nicht darum, jemandem mit einem Strahlen zu verzaubern. Sondern darum, mit minimalem Einsatz eine garantiert positive Emotion beim Gegenüber auszulösen. Es ist so einfach.
[…] und, ganz wichtig: einen Denkanstoß zum Tag des Lächelns. […]