Es war mal wieder so weit: Coronatest Klappe die Fünfte stand auf dem Plan. Ich bin zu Besuch bei meiner Familie in Augsburg und Stiefomi Uschi, 81 und erst ein Mal geimpft, hat am 30. März Geburtstag. Der wird natürlich gefeiert, törö-törö, tralli-tralla. Aber nicht ohne eine negatives Testergebnis. Also flux recherchiert, wo ich in Augsburg einen Schnelltest machen kann. In der Apotheke von der Citygalerie. Dort stelle ich mich in die Schlange und werde wieder rausgeschickt, der Test findet um die Ecke statt. Und tatsächlich, durch die Notfallluke sehe ich eine kostümierte Mitarbeiterin im Ganzkörperanzug, hier bin ich wohl richtig. Sie reicht mir einen Becher, in den ich fünf Mal spucken soll. Auch wenn die Arzthelferin von Zahndoc Schankin immer sagt, ich hätte einen beachtlichen Speichelfluss, ist das gar nicht mal so einfach. Fünf Mal rotzen, puh. Und dann hab ich auch noch Zahnfleischbluten. Das irritiert die Mitarbeiterin noch mehr als mich, als ich ihr den Napf mit dem blutigen Speichel reiche. Als sei Blut ein Zeichen für Corona im Endstadium, nimmt sie meine Körperflüssigkeit entgegen und reagiert verwirrt. Ich komme mir vor, wie ein Alien. Trotzdem darf auch ich in 25 bis 30 Minuten mit einem Testergebnis rechnen.
Fröhlich schlendere ich durch die Sonne nach Hause. Das hätten wir erledigt und klar, auch dieses Mal wird der Test negativ sein, hab ja auch gar keine Symptome. Eine halbe Stunde später rufe ich das Ergebnis online ab und mir fällt fast das Handy aus der Hand: positiv. Das darf! Nicht! Wahr! Sein! Ich bin völlig perplex und sitze an Tantes Küchenstich, ganz alleine, Tantchen ist gerade einkaufen. Ich versuche erfolglos, sie zu erreichen. Nach einer kurzen Schockstarre mache ich, wie mir befohlen: Ich rufe beim Augsburger Gesundheitsamt an. Hier spreche ich mit einem Mann, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Er reagiert, als sei ich seine erste positive Patientin und kann seine Überforderung nicht verbergen. Dass ich aus Köln komme, lässt ihn vollends verzweifeln. Er rät mir, sofort zurück in die Domstadt zu fahren und mich dort zwei Wochen in Quarantäne zu begeben.
„Ich kann mich ja wohl positiv schlecht fünf Stunden in Bahn setzen?!“
„Oh das stimmt, da muss ich mal eben Rücksprache mit meiner Kollegin halten“.
Tüdelüdü, es dudelt und ich warte. Die Rücksprache hat ergeben, dass ich in meinem Fall einen Krankentransport bekomme. Interessante Vorstellung. Aber soll ich nicht erstmal einen PCR-Test machen, um Gewissheit zu haben?
Die Fehlerquote bei den falsch-positiven Schnelltests lag in Ludwigsburg bei fast 4000 Schülern immerhin bei 70 Prozent.
Das weiß der gute Mann jetzt auch nicht. Das Gespräch ist, zusammengefasst, eher für die Tonne. Meine Tante kommt endlich nach Hause und ist, genau wie ich, entsetzt. Wir stellen uns vor, wie wir uns in ihrer Wohnung zwei Wochen zusammen in Quarantäne begeben. Ich rufe bei meinen Großeltern an um zu vermelden, dass der Geburtstag ohne mich stattfindet. Statt panisch zu reagieren, sind sie eher voller Mitleid. „Ach Gottchen, Lisa“.
Tantchen und ich schmieden einen Schlachtplan. In Augsburg werden am Messegelände PCR-Tests angeboten und die gelten nunmal als der „Goldstandard“. Ich versuche, online einen Termin auszumachen, aber den nächsten freien gibts erst am 6. April. Na toll. Wir beschließen, einen Spaziergang dorthin zu machen und unser Glück zu versuchen. Tantchen schlägt vor, ich solle mich einfach dumm stellen: Sagen, ich komme aus Köln und bei uns brauche man keine Termine für den Test. Erscheint mir wenig sinnvoll, doch wie ich tatsächlich verfahre, entscheide ich spontan aus dem Bauch heraus. Erstmal muss ich am Pförtner vorbei und lasse mir gleich was Gutes einfallen. Mit Blick auf die lange Autoschlange unke ich: „Isch abe gar kein Auto, darf ich trotzdem rein“? Gut abgelenkt, versäumt er es, sich auf meinem Handy meine Terminbestätigung, die ich ja gar nicht habe, anzugucken. „Ach junge Frau, sie brauchen nicht extra ein Auto zu klauen, gehen sie einfach da vorne den Fußweg entlang.“ Yes, das hat ja schon mal super geklappt.
In der Halle angekommen, reiht Auto an Auto. Ein Mitarbeiter fragt mich, ob ich einen Termin habe. „Klar“, flöte ich, und darf nach ganz vorne gehen. Als ich dran bin, kommt meine eindrucksvolle Geschichte: die Wahrheit, gespickt mit ein paar Übertreibungen und einer kleinen Lüge, die Eindruck macht: „Ich bin extra aus Köln angereist um den 80. Geburtstag meiner Oma zu feiern, hatte heute morgen das positive Schnelltestergebnis und das Gesundheitsamt hat gesagt, ich solle hier auf einen PCR-Test bestehen, damit entschieden werden kann ob ich sofort per Krankentransport nach Köln gebracht werde oder meine Quarantäne hier verbringe. Die beiden vermummten Mitarbeiter staunen nicht schlecht, nehmen direkt meine Personalien auf und drücken mit ein Röhrchen mit Stäbchen in die Hand. Ich watschel weiter zum nächsten Mitarbeiter und bekomme das Stäbchen zum Glück nur in den Mund, statt auch in die Nase geschoben. Das ist ja wirklich widerlich, wie die da gefühlt das Gehirn massieren. Das Ergebnis kommt in spätestens zwei Tagen. Uff, zwei Tage können lang sein.
Mir gehts natürlich nicht gut in dieser Situation. Ich überlege, was da alles dran hängt: wen ich alles informieren muss, wen ich in den letzten zwei Wochen getroffen habe. Allein die vier neuen Babysitterfamilien einzuweihen, ist mir ein Graus. Da verspiele ich mir möglicherweise die Chance auf die Jobs mit den zuckersüßen Kids. Ein Kindsvater hat seine 55-jährige Mutter, ohne Vorerkrankungen, an Corona verloren und ist entsprechend empfindlich. Mein bester Freund bangt um seine Existenz: Wenn ich ihn als Kontaktperson nenne, muss er zwei Wochen lang auf seine Promotiontätigkeit verzichten, was ein riesiges Loch in seine Kasse reißen würde. Ich in Quarantäne, mit einer schrecklichen Krankheit, an der Menschen sterben. Per Krankentransport nach Köln, schöne Scheiße. Hoffentlich kommt das Ergebnis schnell.
Die Ungewissheit ist nur schwer auszuhalten.
Ich habe einen QR-Code mitbekommen und checke immerzu den Status. Isoliere mich, außer von meiner Tante, und hänge im Bett und auf dem Sofa rum. Mann, mann, mann, wie lange dauert das denn noch? Meine Tante hatte ihr Ergebnis immer nach spätestens 24 Stunden. Meins ist auch nach 28 Stunden noch nicht da. Wie oft ich diesen Captcha-Code jetzt wohl schon eingegeben habe? Ich seh schon gar nicht mehr durch. Nach 28 1/2 Stunden versuche ich es ein weiteres Mal, eher resigniert, weil ich mich schon damit abgefunden habe, dass das Ergebnis wohl möglich erst morgen kommt. Und siehe da:
NEGATIV. Puh, mir fällt das ganze Erzgebirge vom Herzen.
Ich mache einen Screenshot, den ich an alle Eingeweihten per Whatsapp verschicke: Meine direkt betroffenen Großeltern, meine beiden besten Freunde, meine Augsburger Freundinnen, mit denen ich mich treffen wollte.
Ich bin sauer auf die Ungenauigkeit der Schnelltests, das war echt nicht witzig. Wir sind alle total erleichtert und ich kann endlich meine ganzen Treffen planen.
Am nächsten Tag ruft das Kölner Gesundheitsamt an und quetscht mich regelrecht aus, die haben natürlich vom positiven Schnelltest Wind bekommen, ich hatte mich ja bei der Apotheke mit meinen Personalien registriert. Warum ich den Test überhaupt gemacht habe, wer am 28. und 29. März meine Kontaktpersonen waren, wo ich mich gerade aufhalte. Hätte ich Kontaktpersonen, müssten die sich in Quarantäne begeben, bis das Augsburger Gesundheitsamt Kenntnis von meinem negativen PCR-Test hat. Meine Tante regt sich auf, Scheiß Überwachungsstaat und völlig klar, dass mein negativer Test noch gar nicht registriert wurde, aber das Ergebnis von dieser Pupsapotheke und diesem Pupstest es direkt bis nach Köln geschafft hat. Das Augsburger Gesundheitsamt wird sich nach Ostern noch mal bei mir melden, es kann sein, dass ich den Screenshot mit dem negativen PCR-Test dann per Mail schicken muss, weil er immer noch nicht im System ist. Tolle Organisation.
Und die Moral von der Geschicht: Macht den Schnelltest am besten erst gar nicht.