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Portrait | Model Jonas über Körperwahn, Selbstzweifel und Sinnsuche

Lisa Schulz 29/10/2018     gesammelt

Ein Tag im Sommer, ich bin spät dran für meine Mitfahrgelegenheit nach Berlin. Auf der Rückbank sitzt schon jemand. Tiefbraune Augen, hübsches, offenes Lächeln mit schneeweißen Zähnen, schlanke, durchtrainierte Beine, schwarze Lederjacke. Und blutjung. Fertig mit dem Mustern und aufgewacht aus dem Staunen ob seiner Schönheit, stelle ich mich vor: „Ich bin übrigens Lisa“. „Ich bin Jonas.“ „Ach witzig, so würde ich heißen wenn ich ein Junge geworden wäre“. „Echt? Vielleicht würde ich ja auch Lisa heißen, wenn ich ein Mädchen geworden wäre“. Ooookay. Nach dieser Antwort – ich finde sie schlagfertig, witzig und charmant zugleich – , weiß ich sofort: Das wird ne interessante Fahrt. Wurde es, mein lieber Scholli.

Wir fangen an zu schnattern, in einem Nebensatz erwähnt er, dass er nur für 1 ½ Tage in die Hauptstadt reist.

Hab ich’s mir doch gedacht: Der verdient mit seinem Aussehen bestimmt Geld.

Als ich betont beiläufig frage, was er so macht, erzählt er von seinem Sportstudium, das ihm gut gefällt. Sportjournalist, konkret Moderator, möchte er damit mal werden. Dafür hat er sein duales Studium bei Lidl abgebrochen. „Das wollte ich eh nie“. Sein Vater, gelernter Kaufmann, hatte ihn dazu angemeldet. Auf dass der Junge was Vernünftiges lernt. Im Assessment-Center unter den letzten acht, hat den Sohnemann dann doch der Kampfgeist gepackt: „Da überstieg plötzlich der Ehrgeiz die Lust“.

Ja, ehrgeizig ist er. Das habe ich damals schon gedacht und weiß heute: Der Knabe hat ne Willenskraft für vier!

Überhaupt hat er mir direkt imponiert. Ganz schön weit für seine 21. Und wirklich nett. So’n richtig netter Kerl, sogar Typ Traumschwiegersohn. Der zusammen mit seiner Familie im „wunderschönen Porz“ wohnt, großes Haus mit Garten.

Wir haben mehr als genug anderen Gesprächsstoff, aber irgendwann will ich’s doch noch mal wissen: Warum fährt er denn nun nach Berlin? „Ach, ich hab da so’n Vorsprechen“, winkt er ab. Aaaaha, also doch!

Nicht von selbst, sondern nach gründlichem Bohren erzählt er, dass er unter den letzten dreien für die Hauptrolle der neuen Schweighöfer-Produktion ist. Halleluja!

Die Rolle hat er nicht bekommen. Und ärgert sich, sagt heute, ein paar Monate später aber: „Ist eventuell nicht so schlecht. Vielleicht würde ich dann gar nicht mehr studieren.“ Das wäre für seinen eigenen Anspruch an sich, vor allem aber auch für seine Eltern eine Katastrophe.

Jonas ist nämlich nicht primär Student, sondern – ich muss es ihm wirklich aus der Nase ziehen – Model. So’n richtiges. Für Bruno Banani, Gauloises, Zalando, C&A.

Uff. Ich will was sehen! Er zeigt mir online seine Sedcard bei Kult Models. Ich muss mir ein Hüsteln verkneifen als ich mir die Fotos anschaue (Heidewitzka, Herr Kapitän!) und stammel: „Äh ja, du machst da auf jeden Fall das Richtige“.

Das sehen seine Eltern, die ihm „keine Steine in den Weg gelegt, aber auch keine weggeräumt“ haben, ein wenig anders: Papa macht sich Sorgen um Jonas‘ Rente, Mama um seine Bodenhaftung.

Papa kann ich nicht beruhigen. Papa, der in den Anfängen von Jonas‘ Modelkarriere noch gar euphorisch war. Bis er gemerkt hat, was dieser Job seinem Sohn abverlangt. Zur „bloßen“ Sorge um die Rente gesellt sich also auch die allgemeine Sorge eines Vaters, der das Beste für seinen Sohn möchte.

Mama die fürchtet, ihr Junge hebt ab, kann ich schon eher beruhigen: Ich empfinde Jonas als so was von aufm Teppich. Das hat mir ja gleich so gut gefallen. Zu merken und sicher zu sein: Das ist n Guter. Obwohl er getrost arroganter Fatzke sein könnte. Na gut, er gesteht, sich „schon ein bisschen wie ein Prinz“ zu fühlen, wenn er nach Südafrika eingeflogen wird, um für einen Herrenausstatter aus Dubai zu shooten. Aber Arroganz sei eine schwierige Eigenschaft in der Branche.

Und privat?

Denkt er sich nicht, die heißeste Schnitte ever zu sein?

Das hat er früher tatsächlich gedacht: „Dass ich besser und schöner bin, als andere, und das hab sogar so nach Außen getragen.“ Sein Umfeld hat ihm damals bald gespiegelt, dass das nicht zu ihm passt. Mit dieser Attitude hat er sich Freundschaften und sogar eine Beziehung versaut. „Vielleicht bin ich gerade deshalb nicht mehr so“.

Seit zwei Jahren ist er mit Nina zusammen. Keine aus der Branche – aber wahnsinnig gut aussehend –, sondern eine altbekannte Freundin seiner Schwestern. Diese Bodenständigkeit haut mich schier um. Wie er von seinem Familienidyll erzählt, mit liebevollsten Worten von seinem Hund schwärmt und von seinen Schwestern, die beide im sozialen Bereich tätig sind.

Er, dessen Highgloss-Instagramaccount seinen 28.100 Followern ein ganz anderes Bild vermittelt.

Ahnste doch nicht, dass dieser wunderschöne junge Mann, der auf Yachten, in fancy Hotelzimmern oder oberkörperfrei beim Training post sagt: „Auf jeden Fall will ich mal Kinder haben! Am liebsten drei. Wir fahren immer noch zu fünft in den Urlaub und so was hätte ich später auch gerne: eine Familie mit der man bis ins Alter was zusammen macht, eng verbunden ist.“

Davon träumt er tatsächlich: von Kindern, Familie, nem Eigenheim. Und weiß: „Klar ist das ein Standardtraum, aber was Schöneres kann man glaube ich nicht haben.“ Ein finanzielles Polster wäre aber auch wichtig, fällt ihm noch ein. „Aber nicht für Statussymbole, sondern genügend um nicht drauf achten zu müssen.“ Das muss dann wohl deutlich mehr Geld sein, als jetzt, denn obwohl er noch Zuhause wohnt und ordentlich kassiert, bleibt nichts übrig: Er gibt genauso so viel aus, wie er verdient. Fliegt spontan mit seinem Kumpel nach Ibiza und direkt danach mit der Freundin nach Mallorca. Kauft sich teure Schuhe, wenn er Lust hat sich teure Schuhe zu kaufen.

Trallafitti juche, olé olé, was kostet die Welt?! Ein Leben mit Glanz und Gloria, in Hülle und Fülle, in Saus und Braus.

„Leichtfertig und verschwenderisch!“, werfe ich ihm provokant vor. Er kontert: „Naja, andere in meinem Alter haben vielleicht ein abgeschlossenes Studium, einen Job und schon was auf der hohen Kante. Da setze ich dagegen dass ich auf jedem Kontinent war und mir immer gekauft habe was ich haben wollte.“ Uh.

Was dann jetzt doch einen arroganten Eindruck erwecken mag, ist tatsächlich eher das Bellen eines getroffenes Hundes. Auch bei Jonas ist nicht alles gold, was glänzt und der Weg für den er sich entschieden hat, ist an vielen Stellen ganz schön schattig und entspringt sogar einer düsteren Zeit.

Einerseits gibt es da einen ungeheuerlichen Druck. Das wird klar als er erzählt, dass er gezwungenermaßen zu einem Ja-Sager geworden ist, wenn es um Aufträge geht. Man will es sich ja mit den Kunden nicht verscherzen, hat in der Branche einen Ruf zu verlieren und schluckt deshalb, immer auf Abruf zu sein, teilweise abends Bescheid zu bekommen dass es am nächsten Morgen um sechs nach Hamburg geht. Solche kurzfristigen Jobs sagt er nicht nur zu, „weil Nein sagen eigentlich nicht möglich ist“, sondern irgendwo macht’s ihm auch Spaß. „Aber vielleicht nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt?“, wende ich muttihaft altersweise ein, „bis man an den Punkt kommt an dem man merkt: ‚Ich möchte gar nicht mehr spontan sein müssen‘?“. Klar, mit 22 hat das unstete Leben, die Abwechslung die niemals Eintönigkeit aufkommen lässt, noch ihren Reiz.

Jonas struggelt schon jetzt, empfindet es als schwierig, ein gesundes Mittelmaß in seinem Leben zu etablieren und seine Bedürfnisse in die Waage zu bringen: „Auf der einen Seite will ich bodenständig sein, ein geregeltes Einkommen und Sicherheit haben, Zeit für Nina, meine Familie, meine Freunde und meinen Hund haben. Und auf der anderen Seite will ich Reisen, das schnelle Geld, nette Kontakte, stylishe Hotels.“

So richtig, 100%ig cool ist er nicht mit sich und seinem Leben. Das habe ich mir auf der gemeinsamen Fahrt nach Berlin schon gedacht.

Als wir uns das nächste Mal treffen, zum Sonntagsspaziergang mit seinem Hund Beppo, bestätigt sich der Eindruck. Nicht nur dass Jonas viel über die Zukunft grübelt und in der Gegenwart oft das Gefühl hat, als Model vorverurteilt und nicht ernst genommen zu werden. Deshalb verschweigt er seinen Job sogar oft, sagt lieber, dass er studiert und hat das Gefühl, dass er gerade mit älteren – wie mir – bessere Gespräche führt, wenn er das Modeln unter den Tisch fallen lässt. Dass er ernster genommen wird und die Menschen von vornherein mehr mit ihm anfangen können. Weil man denken könnte, er sei ne hohle Fritte? „Ja genau: Model halt“. Ich merke, dass wir hier nicht von einem Luxusproblem reden. Die ständig notwendige Selbstbehauptung scheint kräftezehrend zu sein.

Primär mit seinem Aussehen, statt z. B. mit intellektueller Leistung Geld zu machen, streichelt Jonas‘ Ego nicht nur, sondern kratzt es gleichzeitig. Dieses Ego, das wohl so viel kleiner ist, als die Instagramcommunity vermuten würde.

Mit 14, da hat Jonas gedacht, er würde im Sport was Reißen können. Handball auf hohem Niveau. Und dann kam der Tag, an dem er nach einem Auswahltraining abgelehnt wurde. Nicht wegen mangelnden Talents, sondern weil er körperlich nicht fit genug war. Zu dick, ohne je dicklich gewesen zu sein. Er hatte im Handball die Chance seines Lebens gesehen. Bis ihm gesagt wurde, dass er eigentlich alle Voraussetzungen mitbringt, aber eben nicht den richtigen Körper. „Dann hast du halt ne Stellschraube an der du drehen kannst.“

Jonas hat zu fest an der Schraube gedreht, bis es „dramatisch“ geworden, er „in einen Strudel geraten“ ist: Von seinem 14. bis zum 17. Lebensjahr war er magersüchtig.

Nie so schlimm dass er künstlich ernährt werden musste. Aber so schlimm dass es die Familie extrem belastet hat, Urlaube abgesagt werden mussten weil die Gefahr zu groß war dass was passiert. 48 Kilo bei einer Größe von 178 Zentimetern.

Ja, es gab diese Momente in denen seine verzweifelte Mutter heulend vor ihm saß. „Und da gab’s auch noch ganz andere Momente. Das war eine schreckliche Zeit.“ Als Fliegengewicht hat er dann auch im Handball verkackt. Da wollte er doch der Beste sein und wurde der schlechteste. Mittlerweile wiegt er bei 183 Zentimetern 72 Kilo. Er hat sich damals, vor allem mithilfe seiner Familie, aus dem Sumpf rausgezogen. Mit 17 hat er angefangen zu modeln und die Körperoptimierung dominiert ihn bis heute. Aber anders: strengster Ernährungsplan, regelmäßiges Pumpen. So regelmäßiges, dass ich mich frage ob er an dieser Stelle nicht auch wieder süchtig ist. Er überlegt, wiederholt „süchtig“ und sagt: „Vielleicht ist das sogar das richtige Wort.“ Er ist süchtig danach, seinen gottgegebenen Körper zu verändern, süchtig nach Bodybuilding im Sinn des Wortes.

Ob er glaubt, dass er ein gutes Selbstwertgefühl hat, will ich wissen. Und kriege als Antwort: „Ich habe ein schlechte Selbsteinschätzung.“

Darüber ist er sich im Klaren: Dass die Magersucht, die Tage an denen er maximal einen Apfel gegessen hat, zeigt, dass er kein gutes Körpergefühl hat. Ob das Modeln da das Richtige ist, frage ich nicht. Bin ja nicht seine Therapeutin. Aber ein bisschen Küchenpsychologie kann ich mir nicht verkneifen und erkläre, dass das Selbst und dessen Wert ja nicht nur Muskeln und den Fettanteil betrifft. Will wissen wie es um seine Selbstliebe bestellt ist, vor allem die inneren Werte betreffend. „Mein Selbstwertgefühl ist groß genug, aber es gibt noch Potenzial nach oben“.

Ja, das dachte ich mir vorher auch schon. Zum Beispiel bei dem Satz: „Ich kann mich extrem gut quälen“. Er kann zwei Tage lang nichts essen, ohne Schmerzen zu bekommen. Macht er heute nicht mehr und glaubt nicht, Gefahr zu laufen noch mal magersüchtig zu werden. Aber er weiß auch, dass man diese Krankheit nie komplett los wird. Ein paar restliche Prozent bleiben immer, fürchtet er. Und weiß: „Ich werde wohl mein Leben lang auf meinen Körper achten und vermutlich wird es immer so sein, dass Menschen Sachen essen auf die ich auch Lust hätte, sie mir aber einfach nicht erlaube“. Ja, was Ernährung, Verzicht und Sport angeht, ist er mehr als ehrgeizig. „Ich bin unglaublich streng mit mir selbst“.

Naja, nicht in allen Lebensbereichen, erinnert er sich und fängt noch mal von den Gleichaltrigen an, die schon den Bachelor, ne solide Festanstellung und Erspartes haben. „Tja, alles geht halt nicht“, spricht die Mutti – also ich. „Ja, alles geht halt nicht“, wiederholt Jonas, überlegt eine Weile und sagt schließlich: „Das würde ich mir schon noch wünschen: Dass ich den Ehrgeiz den ich beim Sport und der Ernährung habe, dass ich den fürs Lernen, für die Uni mitbringe. Damit alles schnell vorbeigeht. Weil wenn ich meinen Abschluss habe, sind glaube ich auch die letzten Prozent Unglücklichkeit weg.“

 

Fotos: © Bartek Smigulsky

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